Spätestens seit Kenneth Angers Hollywood Babylon II wissen wir, dass die meisten von Hollywoods klassischen Liebhabern schwul waren. Zum Thema eines Films wurde Homosexualität aber allenfalls als abschreckendes Beispiel, tragische Verirrung oder Gegenstand von Spott. Erst Mitte der 80er Jahre begann das Kino – besonders das europäische – wie selbstverständlich gleichgeschlechtliche Geschichten in den unterschiedlichsten heiteren und dramatischen Genres zu erzählen. In den 90ern drang das Setting schließlich in den Mainstream vor. Aus dieser Zeit wird in der Reihe Queer in the Nineties eine kleine Auswahl vorgestellt, die zu weiterer Erforschung des Repertoires ausdrücklich einlädt.
Eine Filmreihe des METROPOLIS Kino Hamburg in Zusammenarbeit mit der Queer Media Society in Kooperation mit der Aidshilfe Hamburg und dem Hamburg International Queer Film Festival, kuratiert von Monty Arnold und Karola Oswald
The Celluloid Closet OmU
US 1995, Rob Epstein, Jeffrey Friedman, 102 min., 35mm
Susan Sarandon, Harvey Fierstein, Whoopi Goldberg, Tom Hanks, Gore Vidal und viele andere sprechen in dieser Chronik über homosexuelle Untertöne im zunächst sehr heterosexuellen Mainstream des Kinos. Der mit reichlich Filmausschnitten bebilderte Streifzug durch die Filmgeschichte von ihren Anfängen bis in die 90er basiert auf dem gleichnamigen Quellenwerk des früh verstorbenen Vito Russo.
22.11. 19.00
Auftaktveranstaltung, gemeinsame Moderation zum Auftakt: Monty Arnold, Manja Malz, Karola Oswald, Gast: Peter Clasen
DER BEWEGTE MANN (Sönke Wortmann) mit Til Schweiger, Katja Riemann, Joachim Król, Rufus Beck – DE 1994 35mm 93 min. – Einführung: Monty Arnold
4.12. 17:00
Der schöne Alex geht fremd und fliegt bei seiner Freundin Doro raus. Durch Zufall landet er auf der Gästecouch des schwulen Norbert, der nun damit fertigwerden muss, dass ein unberührbares Lustobjekt in sein Leben getreten ist.
Der Comic von Ralf König brachte das Kunststück fertig, die Homos als die Normalen erscheinen zu lassen und die Heteros als die Exoten. Die Verfilmung von Sönke Wortmann machte dieses Prinzip wieder platt, nutzte aber Königs geniale Dialoge, landete einen Erfolg, der eine ganze Lawine deutscher RomComs lostrat, und machte seine Hauptdarsteller zu echten Filmstars.
BOUND – GEFESSELT (Lana & Lilly Wachowski) mit Jennifer Tilly, Gena Gershon, Joe Pantoliano – USA 1996 OmU 109 min. – Einführung: Karola Oswald
12.1. 19.15
Im Regie-Debüt der Wachowski-Geschwister trifft die attraktive Violet auf die handwerklich begabte und frisch aus dem Knast entlassene Corky. Es ist der Beginn einer heißen Liebesbeziehung. Violets Ex-Lebensgefährte Caesar, ein fieser Mafioso, kommt ihnen dazwischen. Als er mit der Verwahrung von gestohlenen zwei Millionen Dollar betraut wird, planen Violet und Corky, mit der Beute durchzubrennen – ohne Caesar, versteht sich.
Dieser Thriller brachte eines der heißesten lesbischen Liebespaare der 90er auf die Leinwand.
BEAUTIFUL THING (Hettie Macdonald) mit Glen Berry, Linda Henry, Scott Neal – GB 1996 90 min. 35mm OmU 90 min. – Einführung: Eileen Pinkert
19.12. 19:15
Der 15jährige Jamie fristet mit seiner Mutter ein ödes Leben in einem Londoner Wohnsilo. Als der Nachbarsjunge Ste auf der Flucht vor seinem sadistischen Vater bei den beiden unterkriecht, müssen die Jungs das Bett miteinander teilen. Für Jamie schließt sich eine rätselhafte seelische Leerstelle, und wie durch ein Wunder werden seine Gefühle sogar erwidert. Diese zarte Sozialkomödie ließ unzählige begeisterte Zuschauer für 90 Minuten wieder zu Teenagern werden und war auch sonst erstaunlich zugänglich für ein breites Publikum.
EDWARD II (Derek Jarman) mit Steven Waddington, Andrew Tiernan, Tilda Swinton, Nigel Terry – GB 1991 DCP OmU 87 min.
8.1. 17:00
Englands schwuler König Edward II verärgert Volk und Adel, indem er seinen Geliebten Gaveston aus der Verbannung holt und ihn mit Titeln und Juwelen überhäuft. Auch seine Gattin ist not amused. Mörderische Intrigen brauen sich bei Hofe gegen Edward zusammen. Der arrivierte Historienfilmer Derek Jarman machte aus der Passionsgeschichte des Shakespeare-Mitbewerbers Christopher Marlowe eine Mischung aus Historienfilm und Regietheater, die von Publikum und Kritik gleichermaßen gefeiert wurde.
MY OWN PRIVATE IDAHO (Gus Van Sant) mit River Phoenix, Keanu Reeves, James Russo – USA 1991 DCP OV – Einführung: Christian Bettges
16.1. 19:00
Auf der Suche nach seiner Mutter begegnet der schwule Stricher Mike dem jungen, aufsässigen Kleinbürger Scott. Ihre Freundschaft erweist sich für beide als ein kurzzeitiger Ausbruch aus ihrer jeweiligen Welt. Gus Van Sant beeindruckte den „Spiegel“, als er in seiner Liebesgeschichte mit „geradezu somnambuler Sicherheit auf die Macht seiner Imagination“ vertraute, doch leider war sein Film „nichts für Spanier“, wie die „Münchner Abendzeitung“ beklagte. Die Subkultur feierte das Werk als Kultfilm.
PHILADELPHIA (Jonathan Demme) mit Tom Hanks, Denzel Washington – USA 1993 DCP OV – Einführung: Jörg Corell, Aidshilfe Hamburg
23.1. 19:00
Ein aufstrebender Junganwalt wird aus einer renommierten Kanzlei geworfen, als man bei ihm (zu recht) eine AIDS-Erkrankung vermutet. Beim Kampf um seine Ehre muss er nicht nur die Vorurteile seiner früheren Arbeitgeber, sondern auch die seines eigenen Rechtsbeistandes widerlegen.
Nachdem Tom Hanks mit dieser Hauptrolle den Oscar abgeräumt hatte, wollten plötzlich alle Hollywood-Heteros Schwule spielen. Männerliebe wurde endgültig zum Thema für den Mainstream. Nebenbei ist „Philadelphia“ ein wirklich gut erzähltes Gesellschaftsdrama und einer der beiden besten Gerichtsfilme der 90er Jahre.
BUT I’M A CHEERLEADER (Jamie Babbit) – mit Natasha Lyonne, Clea DuVall, Michelle Williams – USA 1999 Blu-ray OV – Einführung: Karola Oswald
5.2. 17:00
Megan ist seit zwei Jahren mit dem beliebtesten Footballspieler der High School zusammen und ihre Noten sind exzellent. Zu dumm nur, dass sie Jared gar nicht gerne küssen mag und statt Pärchen-Bildern ist ihr Spind mit Frauenpostern tapeziert. Dies sind sowohl für ihre Freunde als auch ihre besorgte Familie sichere Indizien dafür, dass Megan lesbisch ist. So wird sie kurzerhand in das Umerziehungscamp „True Directions“ geschickt, in dem mittels zweifelhafter Praktiken Männer zu richtigen Kerlen und Frauen zu braven Hausmütterchen werden sollen – kurz gesagt: aus homosexuellen Menschen sollen glückliche Heterosexuelle werden. Auch wenn mit dem Thema der Umerziehung hier auf komödiantische Art umgegangen wird, so hat es einen sehr ernsten und realen Hintergrund: Weltweit werden heute noch zahlreiche sogenannte „Konversionstherapien“ durchgeführt, die von Betroffenen als psychische und physische Folter beschrieben werden.
So 5.2. 17 Uhr Einführung: Karola Oswald
DER EINSTEIN DES SEX (Rosa von Praunheim ) – mit Kai Schumann, Friedel Freiherr von Wangenheim, Ben Becker, Meret Becker – DE/PL 1999, 102 min., 35mm
12.2. 17:00
Rosa von Praunheim, als Filmregisseur seit den 60er Jahren Vorreiter der politischen Schwulenbewegung in Deutschland, porträtiert Magnus Hirschfeld, den Pionier der Sexualforschung (1868-1935). Der liberale Jude Hirschfeld gründet 1897 das „Wissenschaftlich-Humanitäre Komitee“ und unterstützt eine Petition gegen den § 175, der Homosexuelle kriminalisierte. Mit seinem 1919 gegründeten Institut für Sexualforschung erfährt er internationale Anerkennung, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird das Institut jedoch zerschlagen und Hirschfeld stirbt im Exil. Seine Lebensstationen werden von Praunheim chronologisch bebildert und kommentiert.
FEMALE MISBEHAVIOUR (Monika Treut) – DE/USA 1992 16mm OmU 80 min. – Gast: Monika Treut
13.2. 19:00
„Bondage“ präsentiert eine Reihe von Portraits zum Vergnügen, gefesselt zu sein und den Schmerz als Lust zu empfinden. Das unscheinbare Mauerblümchen Ellen Steinberg verwandelt sich in die aufreizende Porno-Queen Annie Sprinkle. Die anti-feministische Feministin Camille Paglia katapultiert sich als streitbare Professorin für Kulturwissenschaften in die amerikanische Medienöffentlichkeit. Max Wolf Valerio ist ein „Native American“, der früher die lesbische Anita Valerio war. Außerdem treffen wir die lesbische Sadomasochistin Carol.
WHEN NIGHT IS FALLING (Patricia Rema) – mit Pascale Bussières, Rachael Crawford, Henry Czerny – CA 1995 35mm DF 94 min. – Einführung: Karola Oswald
6.3. 19:00
Die kanadische Lehrerin Camille denkt darüber nach, ihren Freund Martin zu heiraten, um sich beruflich zu verbessern – ihre Arbeitgeber sind ein streng christliches Institut. Da machen ihr die frechen Annäherungsversuche einer Zirkusartistin einen Strich durch die Rechnung. Dieses Drama um die Erschütterung eines sicher geglaubten Lebensmodells durch das Aufbrechen der wahren (homo)sexuellen Identität wird von Amazon übrigens unter „Erotik“ einsortiert …